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Vortrag Christain Maier

Warum Paul Parin am liebsten 
Hacker geworden wäre?

Christian Maier, Bonn.

„Nicht der Jäger ißt das Fleisch“, so sagt man in Bébou, bei den im Regenwald der 
östlichen Elfenbeinküste lebenden Agni, zu denen Paul Parin 1966 reiste – die zweite 
Forschung in Afrika, die Paul zusammen mit seiner Frau Goldy Parin-Matthèy und 
Fritz Morgenthaler durchführte. Nicht bitteren Neid noch traurigen Verzicht drücke 
dieses Sprichwort aus, schreibt Paul Parin, sondern man zitiere es, wenn man froh sei, 
„aus Verpflichtungen entlassen zu sein, wenn man aus der Sache ist“, denn wer bei 
den Agni auf die Jagd geht, der tut dies im Auftrag eines Chefs oder der Sippe, und 
der Jäger muss die Beute gemäß seinen sozialen Verpflichtungen verteilen (FdN, S. 
549). 
Paul Parin war ein passionierter Jäger, was auch jeder weiß, der seine Erzählungen 
kennt, wo das Thema der Jagd immer wieder durchgespielt wird, bis hin im 
Erzählband „Die Leidenschaft des Jägers“, Erzählungen, in denen die Jagd mit ihren 
Ritualen als Metapher  menschlicher  Leidenschaften auftritt.  Sich aus den 
Verpflichtungen einer sozialen Klasse oder Gruppe herauszuhalten oder diese, nach 
Erfüllung der ihm übertragenen Aufgabe, wieder los zu werden, war eine Tendenz 
von Paul Parin, eine Tendenz so stark, dass man sie der Reihe grundlegender 
Bedürfnisse zuordnen kann, weil sie auch mit seinen Vorstellungen nicht nur von 
Freiheit  und Selbstbestimmung sondern auch von Toleranz übereinstimmte. 
Schließlich war diese Neigung so stark, weil er, hatte er sich für eine Idee oder eine 
1
Unternehmung entschieden, diese energisch und beharrlich zugleich unterstützte: so 
ging er als junger Mann zu Titos Partisanen angeschlossen, um gegen die Faschisten 
zu kämpfen, zusammen mit Goldy, die, zwei Jahre älter als er, schon im Spanischen 
Bürgerkrieg gekämpft hatte; auch als Psychoanalytiker für seine Analysanden, was 
ihm selbst erst auffiel nach dem Januar 1990, nachdem er seine Praxis aufgegeben 
hatte und es ihm in den Wochen danach war, als wäre eine große Schwere von ihm 
genommen worden: „Das kommt wohl vom Gefühl der Verantwortung für meine 
Patienten, eine Verantwortung, die ich jetzt nicht mehr habe, die ich aber während 
meiner langen Praxisjahre nie so gespürt habe.“ 
„Nicht der Jäger ißt das Fleisch“ – so versteht Paul Parin auch seine Feldforschung in 
Afrika,  die Ethnopsychoanalyse und die mittels dieser Methode gefundenen 
Ergebnisse. „Als Ethnopsychologen“, so schreibt er, „legen wir die Beute – unsere 
Methode und einige Ergebnisse – vor und essen sie nicht; wir müssen nicht sagen, ob 
sie genießbar ist und ob man davon satt werden kann“ (FdN, S. 549). 
Der Dorfchef von M’Basso, Tanofram Brou Koffi, meint die fremden Ethnologen 
verstanden zu haben: „Sie wollen mehr kennenlernen, darum sind Sie hergekommen. 
Wenn Sie zurückkehren, sind Sie klüger als die anderen und haben Vorteile davon. 
Das ist genau wie bei uns“ (FdN, S. 551f.). Damit überträgt Brou Koffi auf die 
Weißen die Motive eines Agnimannes: man könnte mit den erworbenen Kenntnissen 
viel Geld verdienen und dieses einsetzen, um soziales Prestige zu erwerben. Hätte der 
Dorfchef jedoch die vom Idealselbst Paul Parins getragene Motivierung tatsächlich 
verstanden, hätte er es aus der Sicht eines Agni etwa so formuliert: „Ich verstehe. Das 
Forschen und Wissen ist für Sie das gleiche, wie wenn wir eine einmalig schöne, 
gestickte Toga heimbringen. Es ist uns gleichgültig, ob man uns beneidet. Denn das 
Tragen des Kleidungsstücks ist für unser Selbstgefühl so wichtig, dass wir bereit 
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wären, eine mühevolle und kostspielige Reise zu unternehmen, um es zu erwerben“ 
(FdN, S. 552). 
Aber Paul Parin ging es um mehr als um eine besondere Toga im Kreise der 
Psychoanalytiker: die tiefere Motivation rührte von dem Wunsch her, das Eigene 
besser zu verstehen, womit gerade die gesellschaftlichen Bedingungen der eigenen 
Kultur gemeint waren. Ethnopsychoanalyse hieß für ihn, „das Eigene mit dem Blick 
des Fremden betrachten“, ein Ausdruck von Goldy Parin-Matthèy, den sie gerne 
zitierte,  gerade dann,  wenn ein junger Psychoanalytiker,  sich in klinischen 
Betrachtungen verlor. Das Studium von Einzelpersonen fremder Völker in deren 
Kultur war und ist zwar das Instrument der Ethnopsychoanalyse, jedoch nicht ihr Ziel, 
sondern nur der erste große Schritt hin auf ihr eigentliches Ziel, das darin besteht, das 
hochkomplexe, wechselseitige Zusammenwirken des sozialen Gefüges und den darin 
lebenden Individuen der eigenen Gesellschaft besser zu verstehen. 
Paul Parin begründet diese Methode wie folgt: „Der anderen Schwierigkeit, unserer 
Unfähigkeit, die soziale Realität richtig zu sehen, die man Entfremdung nennt, 
begegnet die Ethnopsychoanalyse dadurch, dass sie Distanz nimmt. Sie macht aus der 
Not der Verschiedenheit der Völker eine Tugend, sieht sie als fertig aufgestelltes 
natürliches Experiment  an.  Das Gesellschaftsgefüge der Agni  erscheint  uns 
übersichtlicher als das unsere, weil es kleiner und vielleicht weniger kompliziert 
gebaut ist, und weil wir es gleichsam von außen studieren können. Doch ist die 
Methode, ein fremdes Volk zu untersuchen, um die eigenen Probleme zu verstehen, 
tiefer begründet. Das neugeborene Kind ist ein Lebewesen, das überaus plastisch und 
nicht einer spezifischen Umwelt zugeordnet ist. Es muss erst in einer langen Kindheit 
in Wechselwirkung mit der Umwelt spezialisiert werden (Sozialisation).  Die 
Unterschiede zwischen Menschen verschiedener Gruppen (Klasse, Stamm oder Volk) 
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sind so groß, dass man sie mit den Unterschieden zwischen den Tierarten verglichen 
hat und sagen kann, dass sich die Menschheit in zahlreiche Pseudo-Spezies (Erikson 
1968) scheidet. Die Distanz zu den Agni ist groß genug, um den Splitter in ihrem 
Auge zu sehen, wenn wir den Balken im eigenen nicht mehr bemerken“ (FdN, S. 
551). 
Ethnopsychoanalyse war für Paul Parin psychoanalytische Sozialpsychologie, aber 
das war Psychoanalyse für ihn im Prinyip von jeher: „Was ist Psychoanalyse anderes 
als psychoanalytische Sozialpsychologie,  wenn man ausgeht  von der ersten 
Beziehung des Neugeborenen und dessen Interaktionen mit der Mutter ?“, war einmal 
sein Kommentar, als ein renommierter Psychoanalytiker die Bedeutung der sozialen 
Dimension als zu vernachlässigend darstellte. Die „durchschnittlich zu erwartende 
Umwelt“, sei, so Paul Parin weiter, ein bewusster Kunstgriff Heinz Hartmanns 
gewesen, mit der Absicht, die Verhältnisse und Vorgänge im Ich zu beschreiben, und 
Hartmann habe sich hinsichtlich der Problematik und der dieser seiner Annahme 
innewohnenden Begrenzheit für die psychoanalytische Forschung keiner Täuschung 
hingegeben. 
Ethnopsychoanalyse war für Paul Parin also keine Nebendisziplin der Psychoanalyse, 
nicht ein Spezialgebiet, vergleichbar einer sich auf die Erforschung fremder, 
traditionsgeleiteter  Kulturen spezialisiert  sich habende  Sonderform einer 
psychoanalytischen Sozialpsychologie, sondern Ethnopsychoanalyse war für ihn die 
um die gesellschaftlich-kulturell Dimension erweiterte Psychoanalyse, letztlich damit 
die Vollständigkeit anstrebende Psychoanalyse. Über das ethnopsychoanalytische 
Werk Paul Parins heißt folglich über die Psychoanalyse von Paul Parin sprechen, über 
sein gesamtes psychoanalytisches Werk und, nähme man es genau, zugleich über 
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einen nicht geringen Teil seines erzählerischen Werks. Seine zahlreichen Vorträge, 
Aufsätze und Kommentare zu den Konflikten in Ex-Jugoslawien,  deren 
Voraussetzungen und Folgen, einbezogen den Reaktionen und Verstrickungen der 
westlichen Welt, alle diese in seinen beiden letzten Lebensjahrzehnten geschriebenen 
Texte sind angewandte Ethnopsychoanalyse. Der Untertitel meines Beitrages, „Sein 
Leben als Ethnopsychoanalytiker“, der mir erst spät bekannt wurde, mit dem mir 
zugesandten Flyer, eine Vorgabe, die mich zunächst erschreckte, würde damit 
eigentlich übersetzt lauten „Sein Leben mit seiner Psychoanalyse“, eine Aufgabe, die 
mich überforderte, weshalb ich über sein ethnopsychoanalytisches Werk spreche. 
 
Bereits seine erste psychoanalytische Veröffentlichung betritt dieses Terrain, der 1948 
im Schweizerischen Archiv für Neurologie und Psychiatrie erschienene Aufsatz „Die 
Kriegsneurose der Jugoslawen“ (Parin 1948), geschrieben vom damals 32jährigen 
Assistenzarzt und Kandidaten der Psychoanalyse, die erste seiner Veröffentlichungen, 
von der mir Paul Parin anlässlich einer Supervisionssitzung einen Sonderdruck gab, 
ich damals etwa in dem Alter, in dem Paul diese Arbeit geschrieben hatte, wohl ein 
Identifikationsangebot, doch auch Ausdruck dafür, wie wichtig ihm diese Arbeit 
nahezu vier Jahrzehnte später immer noch war. Parin beschrieb darin eine unter den 
Partisanen und der mit ihnen sympathisierenden Bevölkerung nach Abschluss der 
Kampfhandlungen auftretende psychische Auffälligkeit, bei Männern wie Frauen und 
sogar bei Kindern und Jugendlichen, eine überaus häufig vorkommende anfallsartige 
charakteristische Störung, beginnend mit einer Bewusstseinseintrübung, begleitet von 
einem  wilden  Umsichschlagen  und  einer  danach  einsetzenden 
Sturmangriffsimulation, diese ganze komplexe Symptomatik eingefasst von einer 
kompletten Amnesie, eine dem hysterischen Formkreis zuzurechnende Kriegsneurose, 
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die Paul Parin mit dem drakonisch gesicherten Sexualverbot bei den Partisanen in 
Verbindung bringt, auch mit einem an die Gruppe gebundenen „sekundären Überich“, 
ein Sexualverbot, das bei den Partisanen aller jugoslawischen Völker galt, mit 
Ausnahme der Slowenen, die dann prompt von diesem hysterischen Anfallsleiden 
verschont blieben. 
Anklänge an die später in Afrika gefundene Ethnopsychoanalyse sind in dieser frühen 
Arbeit des Kandidaten der Psychoanalyse unübersehbar. Sechs Jahre später kam dann 
die erste große afrikanische Reise von Paul Parin, Goldy Parin-Matthèy, Fritz 
Morgenthaler, und weitere zwei Jahre später, 1956, folgte die erste beachtete, dann 
auch ins Französische übersetzte ethnopsychoanalytische Publikation von Paul Parin 
und Fritz Morgenthaler, „Psychoanalytischer Deutungsversuch der Charakterzüge 
primitiver Afrikaner“ (Parin und Morgenthaler 1956), eine Arbeit, der man noch den 
Geist der damaligen Psychoanalyse, deren Wertungen und Vorurteile da und dort 
anmerkt, eine Arbeit aber auch, von der aus die gemeinsame Entwicklung der 
Züricher Ethnopsychoanalytiker ihren Ausgang nahm,  hin zu einem immer 
konsequenteren, exquisit selbständigen Denken, gerichtet auch gegen den Strom der 
gängigen Psychoanalyse, der es gefallen hätte, wenn der fremde Blick seine Erfüllung 
in der Betrachtung von Afrikanern oder anderem fremden Volk gefunden hätte, damit 
zwar geistig anregengende Nahrung, dabei aber auch nur ungefährlichen Stoff 
geliefert hätte. Doch damit gab sich der forschende Blick des in die Fremde reisenden 
Psychoanalytikers Parin nicht zufrieden, sondern er richtete sich fortwährend auf die 
eigenen gesellschaftlichen Bedingungen, damit auch auf die Bedingungen der 
Psychoanalyse, womit auch deren Theorie und Praxis ständig hinterfragt wurden. 
Später, gegen Ende seines Lebens, wird Paul Parin sich dann als einen „moralischen 
Anarchisten“ bezeichnen, und in einem Vortrag an der Universität Konstanz, meines 
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Wissens nie publiziert, gehalten am 14.5.1996, sprach er über den unvermeidlichen 
Missbrauch von technischem Fortschritt und bekennt: „Am liebsten wär`ich Hacker“ 
(Parin 1996), ein auf den ersten Blick merkwürdig anmutendes Bekenntnis, dessen 
Hintergründe im folgenden vielleicht nachvollziehbar werden – zumindest ein Stück 
weit. 
Für ihre psychoanalytische Methode verwendeten Paul Parin, Fritz Morgenthaler und 
Goldy Parin-Matthèy die Bezeichnung Ethnopsychoanalyse, die sie von Georges 
Devereux übernahmen. Paul Parin, der mit Devereux persönlich bekannt war, zeigte 
sich von dessen Schrift Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften tief 
beeindruckt, ging davon doch das Signal aus, der geisteswissenschaftliche Forscher 
müsse sich selbst beobachten und sein Handeln reflektieren, wenn Parin auch, was das 
psychoanalytische Denken und die Forschungsmethoden von Devereux anging, nicht 
überzeugt war, weil, wie Paul sich ausdrückte, Devereux`s wissenschaftliche 
Phantasie sich auf seine Forschungsergebnisse immer wieder einmal ungünstig 
auswirkte (Parin 1999), etwa, wenn Devereux seine in Indochina und bei den 
Mohave-Indianern erhobenen Forschungsresultate, die er vor jeder Kenntnis der 
Psychoanalyse und natürlich auch vor dem Beginn der eigenen Analyse bei Geza 
Roheim gesammelt hatte, nachträglich aufbereitete, wenn er seine später erworbenen 
psychoanalytischen Kenntnisse schablonenhaft auf diese Daten anwandte. 
Die ethnopsychoanalytische Methode von Georges Devereux ähnelte doch sehr dem 
psychoanalytischen Forschungsvorgehen seines Analytikers Geza Roheim, der 1929 
die erste ethnologisch-psychoanalytische Feldforschung durchgeführt hatte, um die 
von dem Anthropologen Bronislaw Malinowski in Frage gestellte universelle 
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Gültigkeit des von Freud beschriebenen Ödipuskomplexes zu belegen. Malinowski 
hatte 1924 in seinem Aufsatz „Mutterrechtliche Familie und Ödipus-Komplex“ 
geschrieben, dass der Ödipuskomplex von der familiären Struktur geformt werde und 
deshalb nicht bei allen Völkern konstant dieselbe Struktur aufweise und dass es bei 
den Trobriandern in Nordwest-Melanesien einen spezifischen matrilinearen Komplex 
gebe, in Gestalt des Wunsches, die Schwester zu heiraten und den Bruder der Mutter 
zu töten (Malinowski 1924). Mit dem Ziel, Malinowski zu widerlegen, reiste Geza 
Roheim 1929 nach Melanesien, gleichsam von Freud beauftragt, eine von  Marie 
Bonaparte finanzierte Reise in die Südsee, die ihn auf die Insel Normanby führte, 
womit er merkwürdigerweise die Trobriandinseln um ca. 130 Kilometern verfehlte, 
wo er aber nichtsdestotrotz den Ödipuskomplex fand, mit einer psychoanalytischen 
Methode, die mit psychoanalytischen Schablonen hantierte. 
Bronislaw Malinowski, auf den die Methode der „teilnehmenden Beobachtung“ 
zurückgeht, dieser erste große Feldforscher war der Psychoanalyse gegenüber gar 
nicht ablehnend eingestellt gewesen, sondern hatte eine sie weiter führende Vision, 
die auf eine psychoanalytische Sozialpsychologie hinzielte: „Die Hauptaufgabe der 
psychoanalytischen Soziologie ist also, die Grenzen dieser Variationen (gemeint sind 
die Variationen des ödipalen Konflikts) zu untersuchen, zu formulieren, wie die 
Abarten des Kernkomplexes den Abarten in der Verfassung der Familie entsprechen“ 
(Malinowski 1924). 
Malinowskis  funktionelle  Anthropologie  war  die  einzige  ethnologische 
Forschungsmethode, die Paul Parin akzeptierte, diesen wissenschaftlichen Standpunkt 
Malinowskis, den Paul Parin 1963 in einer Rezension von Malinowskis Sex, Culture 
and Myth so beschrieb, „dass jede Erscheinung des menschlichen Zusammenlebens, 
jedes banale oder noch so sonderbare und phantastische Phänomen in irgendeinem 
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Gesellschaftsgefüge determiniert“ sei (Parin 1963, S. 920), und Paul Parin schrieb 
über den von ihm geschätzten großen Humanisten: „Wir können von ihm lernen, was 
Menschenkunde ist, oder vielmehr wie sie sein soll, wie wir die Gesetzmäßigkeiten 
der Kulturentwicklung methodisch richtig erforschen können, um aus dieser Kenntnis 
gültige  Anweisungen für  die  wichtigsten  Probleme  des  menschlichen 
Zusammenlebens abzuleiten“ (ebda.). 
Ein knappes Jahrzehnt nach dieser Rezension erscheint eine Arbeit von Paul Parin, in 
dem er die von Malinowski 1924 formulierte wissenschaftliche Fragestellung 
ethnopsychoanalytisch beantwortet, in dem Aufsatz „Der Ausgang des ödipalen 
Konflikts in drei verschiedenen Kulturen“ (Parin 1972),  ein Titel,  der ein 
programmatisch abgewandeltes Zitat der dafür grundlegenden Arbeit von Freud ist, 
auf dessen Schrift „Der Untergang des Ödipuskomplexes“ (Freud 1924), ein Aufsatz, 
auf dessen Kernaussage Paul Parin verweist, wenn er schreibt, dass dieser Konflikt 
zuerst im Rahmen der abendländischen Welt formuliert wurde, um den folgenden 
Entwicklungsschritt zu beschreiben: Das Kind muss die ausschließliche Beziehung zu 
einer Pflegeperson, meist die Mutter, aufgeben und sich mit weiteren Personen seiner 
Umwelt auseinandersetzen,  wofür in den Gesellschaften des Abendlands die 
einfachste Formulierung den Übergang von der Mutter-Kind-Dyade zur Triade 
bezeichnet.  Während für die westlichen Gesellschaften diese Formulierung 
bekanntermaßen heiße, der Knabe wünsche, seine Mutter sexuell zu besitzen, weshalb 
er danach trachte, den Vater zu töten, jedoch die Vergeltung des Vaters, Kastration 
oder Tod, fürchte, ein Konflikt, der zum Untergang des Ödipuskomplexes führe, 
indem der Knabe die Autorität des Vaters verinnerliche, hinfort auf den Besitz der 
Mutter verzichte, womit das Überich aufgerichtet und das Inzestverbot etabliert sei, 
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während also all dies für die bürgerlichen Schichten der abendländischen Welt gelte, 
aber selbst dort nicht immer für alle sozialen Klassen, so habe sich für die 
Formulierung des ödipalen Konflikts für die Untersuchung von in Sozietäten mit von 
uns verschiedenen Familienordnungen und Erziehungspraktiken aufgewachsenen 
Menschen eine allgemeinere Fassung als notwendig erwiesen: „Knaben und Mädchen 
treten zwangsläufig in eine Entwicklungsphase (die sogenannte phallische Phase der 
Libidoentwicklung) ein, in der sich ihre libidinösen Wünsche ganz auf eine Person 
zentrieren, die sie bisher gepflegt hat (in der Regel die Mutter). Mit dieser bilden sie 
eine Dyade. Jetzt wird jede Person oder Gruppe von Personen, die Ansprüche auf die 
>Mutter< erhebt, als Störfaktor erlebt. Für das Kind ergibt sich ein Konflikt, der 
starke Affekte erregt. Diese zwingen es, sich in irgendeiner Weise mit der Einordnung 
in eine Triade abzufinden oder, anders gesagt, die objektbezogenen libidinösen 
zugunsten seiner egoistischen (narzisstischen) Interessen aufzugeben“ (Parin 1972, S. 
196). Diese Interessen der Selbstbewahrung führen zum Ende des durch den ödipalen 
Konflikts erzwungenen Entwicklungsschritt dazu, dass das Kind am Ende dieses 
Prozesses ein sozialeres Wesen ist als es zu Beginn desselben war (ebda. S. 197). 
Mit  dieser auf verschiedene Familienordnungen und soziale Gruppierungen 
anwendbaren Formulierung, die für sich allein schon genügend Zündstoff für eine 
grundlegende Diskussion eines der Kernthemen psychoanalytischer Erkenntnis und 
Theorie böte, wendet sich Paul Parin wieder dem Untergang des Ödipuskomplexes in 
der eigenen Ethnie zu. Wir lassen ihn am besten wieder selbst zu Wort kommen: 
„Dem Ausgang des ödipalen Konflikts kommt in der Sozialsphäre der Dogon, der 
Agni und in jener der abendländischen Völker eine große Bedeutung zu. Bei uns 
jedoch hat der Wunsch, die Mutter zu besitzen, eine besondere Färbung und die 
Auseinandersetzung mit dem Vater als Störfaktor der Dyade eine aggressive Tönung. 
10
Schon das alleinige >Besitzen< der Mutter, als Ausdruck sexueller Wünsche, ist eine 
Folge der Erziehung des Kleinkindes zu Leistung und Reinlichkeit. Die ersten auf 
eine Person zentrierten Liebesgefühle zeigen einen anal-retentiven Beiklang: sie 
tragen bereits den Stempel der Produktionsverhältnisse der bürgerlichen Besitzwelt. 
Rivalitätsgefühle und Ängste treten auch bei den Dogon und bei den Agni auf, sobald 
die Dyade gestört wird. Aber der Wunsch, den Vater zu töten, ist typisch für 
europäische Kinder, deren Rivalität in den Kämpfen um die Trennung von der Mutter 
und um die Sauberkeitserziehung eine grausame Färbung erhalten hat“ (Parin 1972, S. 
212). 
Weil Ethnopsychoanalyse eine Methode ist, „die den >Blick des Fremden< auf 
Phänomene des eigenen Gesellschaftsgefüges, der eigenen culture richtet“ (Parin 
2001b, S. 11), ist die Psychoanalyse, wie sie sich in der eigenen Kultur entwickelt hat, 
selbst wieder Gegenstand der analytischen Betrachtung, mit dem Ergebnis, dass man 
an der Erkenntnis nicht vorbeikommt, wie wenig stabil, da eben auch sie von der 
gesellschaftlichen Ideologie abhängig, selbst Grundpfeiler unseres Theoriegebäudes 
sein können. Berücksichtigt man den Sachverhalt, dass die Psychoanalyse seelische 
Entwicklung durch innere und äußere Konflikt bestimmt sieht, deren Lösungen und 
Resultate in der seelischen Struktur der Individuen ihren Niederschlag finden, 
weshalb gilt, wie Paul Parin schreibt: „deshalb gibt es bei dieser Betrachtung keine 
konfliktfreie Gesellschaft, ebenso undenkbar wie konfliktfreie Menschen“ (Parin 
1972, S. xxx). Letztlich gibt es keine konfliktfreie Sphäre, und auch die Theorie der 
Psychoanalyse und ihre Entwicklungen sind nicht unabhängig von den sozialen 
Konflikten, und auch schon deshalb verändert sich Psychoanalyse ständig, was nicht 
bedeutet, dass diese Veränderungen allein in Fortschrittskategorien zu denken wären. 
11
Dass eine Psychoanalyse, die den in der Fremde geschärften Blick auf die eigene 
Gesellschaft richtet und dabei auch sich selbst zum Gegenstand der Beobachtung 
macht, auch zu neuen psychoanalytischen Konzepten führte, das in Theorie und 
Praxis, ist eigentlich kaum mehr als eine logische Konsequenz dieser Methode. Eines 
der Resultate waren die Anpassungsmechanismen, die Paul Parin erstmals 1977 in 
einer damals in der PSYCHE erschienenen Arbeit beschrieb, mit dem Titel „Das Ich 
und die Anpassungsmechanismen“, ein Titel, der wiederum zwei bedeutende 
psychoanalytische Werke zitierte: „Das Ich und die Abwehrmechanismen“ von Anna 
Freud (1936) und „Ich-Psychologie und Anpassungsproblem“ von Heinz Hartmann 
(1939). Als Anpassungsmechanismen bezeichnet Paul Parin „im Ich des Erwachsenen 
mehr oder minder fest etablierte Mechanismen, die unbewusst, automatisch und 
immer gleich ablaufen, gerade so, wie es bei den Abwehrmechanismen beschrieben 
ist. Während sich diese jedoch im Ich etabliert haben, um unerwünschte oder störende 
Triebregungen,  Wünsche  oder  Affekte  abzuwehren,  haben  die… 
Anpassungsmechanismen den Zweck, mit eingreifenden Einflüssen der sozialen 
Umwelt fertig zu werden“ (Parin 1977, S. 78). 
Mit diesem Aufsatz setzt Paul Parin die Forschungen von Heinz Hartmann fort, der, 
wie die gesamte Strömung der Ichpsychologie, sich des Kunstgriffs der Annahme 
einer „durchschnittlich zu erwartenden Umwelt“ bediente, einer Festlegung der 
Umwelt als unveränderliche Größe, um die Erforschung des Ich zu verfeinern. Paul 
Parin kritisiert in seiner Arbeit, dass, nachdem die Ichpsychologie mit ihrer Forschung 
viel erreicht hatte, es die Psychoanalyse versäumt habe, diesen einst eingeführten 
Parameter wieder aufzuheben, weshalb die Anpassungsmechanismen des Ich so gut 
wie gar nicht  untersucht  worden seien,  nicht  zuletzt  deshalb,  weil  viele 
Psychoanalytiker dem biologistischen Ansatz folgten, einem Ansatz, „der die Umwelt 
12
als eine >naturgegebene< ansieht und das Individuum allein als ein veränderliches – 
eine Auffassung, die für die Gesellschaft als Umwelt nicht haltbar ist“ (Parin 1977, S. 
79). Anpassungsmechanismen, so Parin, funktionieren automatisch und unbewusst – 
unbewusst deshalb, weil die Wahrnehmung des >beobachtenden Ich< defizient ist, 
eines Ich, „das es nötig hatte, sich so weit anzugleichen, bis es seine eigenen 
Interessen von denen der sozialen Umwelt nicht mehr unterscheiden konnte“ (ebda. S. 
84). Ihre vorrangige Aufgabe ist es, einen relativ konfliktfreien Umgang mit 
bestimmten gesellschaftlichen Einrichtungen zu ermöglichen, indem sie andere 
Ichapparate entlasten und es erleichtern, zu Triebbefriedigungen und narzisstischen 
Gratifikationen zu gelangen, welche die entsprechenden sozialen Institutionen 
anbieten (S. 85). Paul Parin stellt fest, dass Anpassungsmechanismen ein viel 
direkterer Ausdruck dessen sind, „dass die soziale Umwelt in die Ichstruktur eingreift: 
Sie werden zwar ebenfalls (wie die Abwehrmechanismen) bereits in der Kindheit 
angelegt, bleiben aber zeitlebens sozialen Kräften unterworfen“ (Parin 1977, S. 86). 
Drei Anpassungsmechanismen werden von Paul Parin detailliert beschrieben: es sind 
dies das „Gruppen-Ich“,  das „Clangewissen“,  diese zuerst bei  afrikanischen 
Analysanden beobachteten Anpassungsmechanismen, die unverzichtbar sind in der 
Psychoanalyse gesellschaftlich-politischer Einwirkungen, sowohl bei Individuen und 
Gruppen,  und,  als  dritter,  die  „Identifikation  mit  der  Rolle“,  ein 
Anpassungsmechanismus, ohne den, wie Paul Parin bekannte, er selbst in seiner 
praktischen Tätigkeit als Psychoanalytiker nicht mehr ausgekommen sei, ein 
Anpassungsmechanismus, auf dessen analytische Thematisierung er auch in den 
Supervisionen immer wieder großen Wert legte. Mit „Rolle“ in diesem ganz 
speziellen Zusammenhang meint  Paul  Parin soziale Rollen,  die stets in 
Zusammenhang mit gesellschaftlichen Institutionen oder Formierungen auftreten, die, 
13
oftmals unbewusst für den Einzelnen wie für diese Institutionen, in einem irgendwie 
gearteten ideologischen Kontext ein Rollenverhalten vorgeben; nicht gemeint ist 
ideologisch nicht definiertes Sozialverhalten jeglicher Art, selbst wenn auch das in der 
funktionalistischen Soziologie ebenfalls Rolle genannt werden sollte, weil ein solches 
Verhalten den „Identifikation mit der Rolle“  genannten Anpassungsmechanismus 
nicht ermögliche. Paul Parin schreibt: „Die >Identifikation mit der Rolle< ist ein 
psychologisch zu beschreibender Vorgang, ein Schritt (unter anderen), durch den eine 
>objektive< zu einer >subjektiven< Rolle wird“ (S. 96). Und Paul Parin gibt 
folgendes Beispiel: „Ein homosexueller Mann hat ein bestimmtes soziales Verhalten. 
Er wählt männliche Sexualpartner. Damit ist noch nichts darüber gesagt, ob er sich 
der  Ideologie der  Institution „Homosexualität  in der  Industriegesellschaft“ 
entsprechend verhält. Tut er dies, frequentiert er die entsprechenden Treffpunkte, 
kleidet und benimmt er sich den ideologischen Erwartungen der Gesellschaft 
entsprechend, so verhält er sich wohl mit der Rolle des Homosexuellen identifiziert. 
Tut er dies – ein rein psychologischer Vorgang -, ist es zu einer Änderung in seinem 
Ich gekommen, die sich psychologisch beschreiben und psychoanalytisch aufklären 
lässt“ (Parin 1977, S. 97). 
Dass Paul Parin hier als eines seiner Beispiele das eines homosexuellen Mannes 
wählt, hat verschiedene Gründe. Ein wesentlicher Gesichtspunkt dabei ist, dass ein 
junger Homosexueller, nach dem „coming out“ in der Adoleszenz, eine neue eigene 
Identität ausbilden muss, ein Entwicklungsschritt, der mit der Ablösung von der 
Familie und dem Eintritt in ein erweitertes Gesellschaftsgefüge eine große Belastung 
darstellt, in einer Gesellschaft mit relativer Toleranz, anders ausgedrückt: mit meist 
im Verborgenen laufender sozialer Diskriminierung. Weil die Identifikation mit der 
14
Rolle ein Hauptinstrument der Angleichung des Individuums an gesellschaftliche 
Forderungen und Zwänge darstellt,  ist  die analytische Bearbeitung dieses 
Anpassungsmechanismus ein „unersetzliches Instrument der Emanzipation“, eben 
weil der Mensch „nicht Meister im eigenen Haus ist, deshalb muss die Analyse „ihm 
nicht nur bewusst machen, welchen Kräften aus dem Verdrängten er unterliegt, 
sondern auch, welche Gewalten seiner Umwelt automatisch über ihn herrschen“ 
(Parin 1977, S. 98). 
In therapeutischen Analysen mit jüngeren Männern, über viele Jahre seiner 
Praxistätigkeit, hatte Paul Parin die Beobachtung gemacht, dass für Angehörige 
zweier Subkulturen,  die der assimilierten Juden und die der männlichen 
Homosexuellen,  (Parin 1985), „sich in der Analyse eine tiefreichende, vielfältige 
psychische Ähnlichkeit ergab1“ (Parin 1985, S. 124). Angehörige beider Subkulturen 
traf  in der Schweiz eine ähnliche,  vor allem über  Symbole vermittelte 
Diskriminierung, und Paul Parin hält fest: „Die verschiedensten männlichen Personen, 
die einer bestimmten Form der Diskriminierung ausgesetzt sind, können die gleichen 
psychologischen Besonderheiten entwickeln“ (ebda. S. 124). Die Ähnlichkeiten dieser 
beiden Gruppen manifestierten sich in der Übertragung, in der Betonung der Frage, ob 
und inwieweit der Analytiker von ihnen verschieden oder ihnen vielleicht doch gleich 
sei, einer Akzentuierung dieser Fragestellung, bedingt „durch die gleichartige 
Diskriminierung bzw. durch die nur relative Toleranz, der ihre >Andersartigkeit< 
begegnet“ (ebda. S. 127), gerade deshalb, weil den Angehörigen dieser beiden 
Gruppen, indem das „Bild des Fremden“ dem Individuum „den Stempel der 
Unterdrückung aufdrückt“,  in der sogenannten Ablösungsphase der Adoleszenz die 
das notwendige Wiederauftanken gewährleistende zeitweilige Rückkehr in die 
emotionale Geborgenheit der Familie verunmöglicht wird. Mit der Adoleszenz 
1 
 kursiv im Original 
15
einsetzende Identitätsprobleme männlicher Homosexueller sind, so folgert Paul Parin, 
nicht in erster Linie das Resultat frühkindlicher Defekte in der Ausbildung der 
psychosexuellen Identität, sondern wie der Vergleich mit jüdischen jungen Männern 
zeige, weit eher eine Folge der traumatisch erlebten Adoleszenz unter dem Eindruck 
sozialer  Diskriminierung,  was,  wegen der  durch die  diskriminierenden 
Zurückweisungen bedingten regressiven Bewegungen,  fälschlicherweise den 
Eindruck einer frühkindlichen Störung des Selbsterlebens erwecken könne. 
Für Paul Parin war die Freudsche Psychoanalyse, und damit ihre auf die Gesellschaft 
ausgeweitete Entwicklung, die Ethnopsychoanalyse, zuallererst Konfliktpsychologie. 
Wir wissen: dem Ich fällt die Aufgabe zu, die Interessen des Es wahrzunehmen und 
die Anforderungen der Realität zu ihrem Recht kommen zu lassen, wobei das Über- 
Ich als Träger der Regeln und Gesetze und somit als Vertreter der Eltern, der 
Traditionen, letztlich der Gesellschaft im psychischen Apparat wirkt. Verdrängt wird, 
was dem Ich unter dem Einfluss des Überichs unerträglich wird, wobei, wie Freud 
(1912)2 es ausdrückt, jede innere Verdrängungsschranke der historische Erfolg eines 
äußeren Hindernisses ist, womit die Verinnerlichung der Widerstände die Geschichte 
der Menschheit  repräsentiert,  niedergelegt  in den ihr gegenwärtig eigenen 
Verdrängungsneigungen. Konflikte zwischen dem Ich und dem Überich sind damit 
letztlich das Resultat äußerer Widerstände, die sich den Interessen des Individuums 
infolge der Anforderungen in der sozialen Umwelt entgegenstemmen. Aus der Sicht 
der Ethnopsychoanalyse,  mit dem Erkennen des Anpassungsmechanismus der 
Identifikation mit der Rolle, werden die Gegebenheiten um den innerpsychischen 
Konflikt noch komplexer: weil nämlich gesellschaftliche Widersprüche in alle 
2 
 Freud (1912): „Every internal repression barrier is the historical outcome of an external obstacle. 
Therefore: internalization of resistances [represents] the history of the human race as deposited in its 
present innate tendencies to repression.”. 
16
angebotenen >Rollenstereotypien< aufgenommen wurden – ein >Schüler< 
beispielsweise ist gleichzeitig >braver Empfänger< autoritär vermittelten Wissens 
und >kühner Beauftragter< seiner unwissenden Eltern – und ein Teil des Ich sich 
selbst mit der Rolle identifiziert hat, ist zu den Konflikten zwischen Ich und 
Außenwelt und zwischen Ich und Überich ein weitere Konfliktquelle hinzugekommen 
– die durch die Rollenrepräsentanz ins Ich implantierten Widersprüche. Ich lasse hier 
besser Paul Parin zu Wort kommen: „Neben den Konflikten zwischen dem Subjekt 
und seiner Umwelt werden im Ich weitere Widersprüche auffindbar, die aus den 
gesellschaftlichen Verhältnissen in die Rollen-Ideologien eingegangen sind. Der Ort 
ist gefunden, an dem es sich erweisen muss, dass nicht nur das Individuum am 
Unbehagen in der Kultur, letzten Endes an der Triebeinschränkung zu leiden hat, 
sondern dass die Widersprüche und Konflikte, die unsere Kultur kennzeichnen, das 
Subjekt selbst verändert haben…Der Widerspruch in der Gesellschaft ist zum 
Widerspruch im Subjekt geworden. Das Ich erscheint nun nicht mehr allein als 
Widerpart der gesellschaftlichen Umwelt; es trägt auch die gesellschaftlichen 
Widersprüche als Rollen-Identifikationen in sich.“ (Parin 1978, S. 120). 
In einem Grußwort an den Grazer Arbeitskreis für Psychoanalyse zum Symposium 
„Der fremde Blick“ im Oktober 1998 stellt Paul Parin sich die Frage, ob die 
Psychoanalyse der dort Anwesenden  noch die gleiche sei, die er gekannt hat, und er 
beantwortet sie selbst mit „da habe ich Zweifel“ (Parin 1999b, S. 30). 
Neue Entwicklungen, andere Theorien mit den sie bestimmenden veränderten 
Blickwinkeln, habe eine neue, eine andere psychoanalytische Kultur geschaffen. Paul 
Parin war sich dieser Entwicklungen bewusst, ja er kannte sie alle, aber er blieb ihnen 
gegenüber skeptisch, was ihren möglichen Beitrag zu dem grundlegenden Anliegen 
17
der Ethnopsychoanalyse anging. Jacques Lacan habe das „obligat konflikthafte 
Seelenleben“ der Lehre Freuds aufgegeben und durch eine Theorie von einer 
Beschädigung der menschlichen Fähigkeit zu symbolisieren ersetzt, eine Fähigkeit, 
die Psychoanalytiker „kraft ihres Wissens um das Unbewusste wiederherzustellen, zu 
reparieren hätten“, wie Paul Parin mit Sarkasmus feststellte. 
Dass sie den Konflikten nicht die adäquate Berücksichtigung zukommen ließe, war 
auch seine Kritik an der Selbstpsychologie. Zwar habe Heinz Kohut mit seinem 
Schema von der vertikalen und horizontalen Spaltung vermutlich Zutreffendes 
beschrieben, meinte Paul Parin, doch zeigte er sich ansonsten gegenüber Kohuts 
Konzepten zumindest zurückhaltend, zumal er dessen Ergebnisse allein schon deshalb 
skeptisch betrachtete, weil Kohut, so wusste Paul anzugeben, alle wesentlichen 
Erkenntnisse aus Analysen und Re-Analysen mit Lehranalysanden geschöpft habe, 
eine Skepsis, die auf Pauls Überzeugung beruhte, dass eine Lehranalyse nur im 
allergünstigsten Fall geeignet sei, ähnlich gute Erfolge zu erbringen wie eine 
therapeutische Analyse. Mit seiner Hauptkritik hielt Paul Parin auch gegenüber Heinz 
Kohut nicht zurück, wenn der, was häufiger vorkam, mit seiner Frau nach 
Graubünden in Urlaub fuhr und vorher, aus den Staaten kommend, Station in Zürich 
machte, um Paul Parin, Fritz Morgenthaler und Goldy Parin-Matthèy zu besuchen. 
Die Hauptkritik hatte den folgenden Inhalt: Ab den Mitsiebzigerjahren wurde häufig 
darauf  hingewiesen,  dass  die von Kohut  beschriebenen >narzisstischen< 
Persönlichkeitsstörungen in den westlichen Industriestaaten vermehrt aufträten. Im 
Unterschied zu anderen Psychoanalytikern ging Paul Parin davon aus, dass dieser 
Sachverhalt weniger auf Änderungen der Familienstruktur oder der frühkindlichen 
Entwicklung zurückzuführen sei, sondern auf „ein Versagen der Anpassung in einer 
entfremdeten sozialen Lage“ (Parin 1977,  S.  108).  Das Ich habe zwar 
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Anpassungsmechanismen ausgebildet, so schrieb Paul Parin,  wodurch einerseits die 
Autonomie des Ich gestärkt werde, andererseits aber auch dessen Abhängigkeit von 
der Umwelt zunehme, was in der modernen Industriegesellschaft dazu führe, dass 
infolge von wirtschaftlichen Entwicklungen und Krisen es zu häufigen und nicht 
selten einander widersprechenden Rollenangeboten komme, mit denen sich das Ich zu 
identifizieren habe, mit dem Resultat, dass das rollenidentifizierte Ich objektbezogene 
Befriedigungen und Konflikte durch narzisstische Gratifikationen und Konflikte 
ersetze. Ich zitiere Paul Parin: „Das Gleichgewicht zwischen den narzisstischen… 
Bedürfnissen und den objektbezogenen ist gestört; es kommt zu einer Verschiebung 
zugunsten der narzisstischen. Die fortschreitende Vermarktung des Individuums 
zwingt das Ich, den Lustgewinn objektaler Wunschbefriedigung gegen narzisstische 
Prämien umzutauschen, die mit den gebotenen Rollenidentifikationen eher vereinbar 
sind“ (Parin 1977, S. 109). Diese psychodynamischen Gegebenheiten sah Paul Parin 
als prinzipiell reversible Vorgänge an, die ihm in Analysen dann als erwiesen galten, 
wenn,  wie so häufig,  in der Übertragungsbeziehung die Verbesserung des 
Selbstgefühls automatische Rollenidentifikationen überflüssig macht und verloren 
geglaubte objektbezogene Besetzungen wieder in den Vordergrund treten. 
Hier, nun in der analytischen Praxis angekommen, stellt sich die Frage, ob sich aus 
den  Erkenntnissen  der  Ethnopsychoanalyse,  dieser  Bezeichnung  seiner 
Psychoanalyse, die Paul Parin gleichbedeutend mit >vergleichende Psychoanalyse< 
verwendete (Parin 1976, S. 56), eine Theorie psychoanalytischer Praxis ableiten lässt? 
Wenn Paul Parin den aktiven Verzicht des Psychoanalytikers auf emotionale 
Geborgenheit als unabdingbare Voraussetzung der Psychoanalyse erkennt, damit auch 
dessen Zugehörigkeit in eine tragende Gruppe oder dies auch für die Übernahme einer 
19
Halt gebenden Idee als gültig ansieht, weil nämlich der Psychoanalytiker nur unter 
diesen Voraussetzungen seiner wichtigsten Aufgabe, „jede psychische Äußerung in 
Frage zu stellen“ (Parin 1985/1986, S. 17), gerecht werden kann, wenn also Paul 
Parin fordert, der Psychoanalytiker müsse sich jeglicher Hingabe an eine kulturelle 
Illusion enthalten, wenn dies also das oberste Gebot darstellte, dann lässt sich daraus 
folgern, dass psychoanalytische Praxis am ehesten durch Negation zu beschreiben sei, 
wie es auch ein anderer großer Unbequemer postulierte, Bion mit seinem „no 
memory, no desire“. 
Die Begründung dafür lässt sich auch im ethnopsychoanalytischen Werk Paul Parins 
finden: Der Psychoanalytiker kann den inneren Konflikten seiner Patienten, diesen 
Widersprüchen, die das Resultat der Verinnerlichung von gesellschaftlichen Regeln 
und Idealen sind,  mit  seiner Methode nur gerecht  werden,  wenn er alle 
gesellschaftlichen Vorgaben und die diese begründenden kulturellen Illusionen auf 
den Prüfstand stellt, weil er, um das Unbewusste erforschen zu können, „die 
unbewusste identifikatorische Gleichschaltung mit irgendeiner Gemeinschaft, mit 
Kirche, Staat, Partei und auch mit der internationalen Gemeinde der Analytiker 
kritisch in Frage zu stellen und wenn nötig aufzugeben“ habe (Parin 1985/1986, S. 
16). 
Diese Grundhaltung, jederzeit alles in Frage zu stellen und gegebenenfalls der 
Negation zu überantworten, ist die einzig sichere, positiv zu formulierende Leitidee 
der Psychoanalyse, und sie ist es auch, die den Analytiker notwendigerweise in 
Widerspruch mit den Herrschaftsverhältnissen bringt. „Flectere si nequeo superos, 
acheronta movebo“, „wenn ich die Herrschenden nicht beugen kann, werde ich die 
aufrühren, die da  unten sind“, dieses bei Vergil entliehene Zitat findet sich in Freuds 
Traumdeutung sowohl als vorangestellte Leitidee wie auch unmittelbar vor dem 
20
berühmten Satz: „Die Traumdeutung aber ist die Via regia zur Kenntnis des 
Unbewussten im Seelenleben“ (Freud 1900, S. 613). 
Wie die grundlegende Haltung des Psychoanalytikers, alles in Frage zu stellen, in 
analytisches  Handeln überführt  werden kann,  beschreibt  Paul  Parin in 
„Gesellschaftskritik im Deutungsprozess“ (Parin 1975). Eine gesellschaftskritische 
Deutung sei notwendig, schreibt er, wenn ein gesellschaftlicher Faktor so eingreife, 
dass er aus der Kindheit stammende Konflikte mobilisiere und infolgedessen die 
gesellschaftliche Gegenwart  nicht  wahrgenommen werde (S.  38).  Bei  der 
sozialkritischen Deutung handelt es sich nicht um eine abstrakte, gleichsam blutleere, 
gutmenschenartige Gesellschaftskritik, sondern sie zielt darauf ab, die Konflikte 
zwischen den Interessen des Analysanden und denen seiner engeren und erweiterten 
Realität aufzuzeigen, ständig auf ihn einwirkende Widersprüche, die er nicht 
wahrzunehmen vermag. Damit bezieht Paul Parin eindeutig Position, weil es für ihn 
selbstverständlich war, dass ein Analytiker eben nicht neutral sein kann, wenn er, wie 
unabdingbar, stets auf Seiten des Unterdrückten steht, was auch Konsequenzen für die 
Technik der Psychoanalyse hat. Paul schreibt: „Im Prinzip vertreten wir immer die 
abgewehrten Triebe. Wir finden sie zumeist in abgeänderter Form vor, wie sie ins Ich 
aufgenommen worden sind. Nach und nach werden sie auf unsere Person übertragen. 
Jetzt sind wir – soweit wir unsere Gegenübertragung durchschauen – neutral. Doch 
kaum beginnt der Deutungsprozess,  sind wir schon wieder auf Seiten des 
Unterdrückten: gleich, ob wir das Introjekt eines triebfeindlichen Überich oder die 
Macht eines gesellschaftlichen Zwanges unserer deutenden Kritik unterziehen“ (Parin 
1975, S. 54). 
21
Für Paul Parin und Goldy Parin-Matthèy war die Psychoanalyse nicht nur 
Wissenschaft, sondern zugleich, wie für viele große Analytiker vor ihnen, „Tarnkappe 
ihrer unnachgiebig revolutionären Gesinnung“ (Parin 1985/1986, S. 12). Goldy, die 
schon im Spanischen Bürgerkrieg und später dann zusammen mit Paul mit Titos 
Partisanen gegen den Faschismus gekämpft hatte,  brachte rückblickend ihre 
gemeinsame „Patentlösung“ auf die einprägsame Formel: „Für mich war die 
Psychoanalyse die Fortsetzung der Guerilla mit anderen Mitteln!“ Paul Parin hatte 
irgendwann einmal in einem Interview gesagt, dass er >am liebsten Hacker wär`<, ein 
Wunsch, viel eher noch ein nicht ganz ernst gemeintes Bekenntnis, das er in seinem 
Vortrag an Universität Konstanz zu begründen suchte. Zwar habe er ein vernünftig 
klingendes Motiv, so sagte er, nämlich der Umstand, dass jeder technische Fortschritt 
bislang auch Tür und Tor für Missbrauch geöffnet habe und gerade der Computer wie 
kaum eine andere Neuerung dafür geeignet sei, doch seien es vornehmlich irrationale, 
emotionale Beweggründe, die ihm diesen Gedanken eingegeben hätten. Ich lasse Paul 
mit seinem Vortragstext zu Wort kommen: „Ich bin – wie wir alle – in eine Welt 
eingespannt, die mich bestimmt und meine eigene Initiative einschränkt. Ich 
vergleiche meine Lage manchmal mit der des Konstrukts eines homo soziologicus: 
restlos ausgeliefert, völlig machtlos, ob ich in den Gang der Politik eingreifen, 
Geschichte machen, Tomaten essen oder in guter Luft den Schlaf des Gerechten 
schlafen will. Von allen Seiten umgibt mich jederzeit Unheil und Unglück, man made 
disaster.  Ich habe nicht  die geringste Möglichkeit,  gegenwärtigem Unglück 
entgegenzutreten oder einem Unheil zu wehren, das ich kommen sehe. Das macht 
mich wütend. Da ich nichts Wirksames tun, den eigenen Willen nirgends auch nur 
entfernt vernünftig und wirksam einsetzen kann, will ich wenigstens jenes Symbol der 
Einspinnung und Einnetzung treffen, das mich in den Irrsinn unserer Welt einfädelt 
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und mit ihr verknüpft. Ich tobe gegen ein Symbol der modernen Welt“ (Parin 1996, S. 
4f.). 
Wenn Paul Parin sich als >moralischen Anarchisten< sah, so war er für Christa Wolf 
ein >fröhlicher Anarchist<, weil sie sein Werk mit dem Wort >Utopie< verband. Und 
so schreibt Christa Wolf ihm zu seinem 90. Geburtstag: „Alles, was Sie tun und 
denken, was Sie sagen und schreiben, war und ist durchtränkt, gesättigt von Utopie. 
Von den Gestalten in einem Ihrer Bücher sagen Sie es direkt: „Sie wollen mehr, ein 
richtiges, großes Gewissen. Alles soll gerechter werden, womöglich die ganze Welt“ 
(Christa Wolf 2007, S. 16). 
Und diese Utopie ist auch die Triebfeder seiner Ethnopsychoanalyse. 2001, vier Jahre 
nach dem Tod Goldys, damals, als seine Freunde befürchteten, ihn würde, weil er es 
da und dort auch angedeutet hatte, nichts mehr im Leben halten, dann fand er über das 
Schreiben zurück und, inspiriert vom Gedanken an das gemeinsame Lebensprojekt 
der  drei  Begründer  der  Ethnopsychoanalyse,  schrieb er  in dem Aufsatz 
„Ethnopsychoanalyse  –  off  limits“:  „Ethnopsychoanalyse  ist  eine 
Forschungsmethode, die wir entwickelt haben. Off limits ist eine militärische Formel, 
mit der in einer besetzten Stadt ein Teil abgegrenzt wird, in dem die Army herrscht. 
Beide Phänomene haben den Anspruch, ihr Gebiet radikal, also grundlegend, zu 
beherrschen. Ich verbinde das Militärische mit unserer Wissenschaft, weil ich die 
Absicht habe, selbstgesetzte Grenzen zu überschreiten, wie es siegreiche Armeen tun“ 
(Parin 2001, S. 160). 
Die >Utopie< des >fröhlichen Anarchisten< betritt als tiefster Beweggrund seiner 
ethnopsychoanalytischen Forschungen in Afrika offen die Bühne, wenn Paul Parin die 
Zusammenfassung der Forschungsergebnisse bei den Agni einleitet, mit folgenden 
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Sätzen, die ich zum Abschluss zitiere: „Während die abendländische Zivilisation 
unaufhaltsam die meisten anderen Kulturen unterwandert, transformiert oder zerstört, 
wird das Unbehangen in unserer Kultur immer unerträglicher. Man fragt sich, ob es 
nicht irgendwo auf der Welt bessere sozialpsychologische Lösungen gibt, als wir sie 
haben: eine Erziehung zu freieren, glücklicheren Menschen, die ihre Aggressionen 
nicht in mörderischen und selbstmörderischen Kriegen abführen, die ihre Kinder nicht 
opfern, ihre Erzeuger nicht hassen und ihr Liebesleben nicht verstümmeln müssen. 
Und man sucht nach sozialen Einrichtungen, die dem Menschen weniger Zwang 
auferlegen und seiner Natur angemessener sind als die unseren.“

 

(Parin, Morgenthaler 
und Parin-Matthèy 1971, S. 549). 
  
 
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